Badische Zeitung, Ausgabe Freiburg vom 22. November 2007
Exakt berechnetes Vergnügen
Die Planung von Tragwerken für fliegende Bauten wie die Wasserachterbahn Atlantica Super Splash im Europa-Park hat es in sich
Höhepunkt der Fahrt: Aus zirka 30 Meter Höhe stürzt das Boot hinunter ins ...
Bild: Badische Zeitung
Nach vier Minuten ist alles schon wieder vorbei, beim "Atlantica Super Splash" : Jedermann ist gründlich durchnässt, den meisten steht der Spaß ins Gesicht geschrieben, einige lachen lauthals, weil sie das Abenteuer und den zugehörigen Adrenalinschub überstanden haben. Europa-Park-Besucher, die sich auf diese zu den bekanntesten Attraktionen des Freizeitparks zählende Wasserachterbahn einlassen, werden in einem auf Schienen laufenden Boot rund 30 Meter nach oben gezogen und rasen dann mit teilweise bis zu 80 Stundenkilometern die 390 Meter lange Bahn entlang. Höhepunkt der Fahrt ist der etwa zehn Sekunden dauernde eigentliche "Splash" (Spritzer), bei dem das Boot, beinahe aus Maximalhöhe herunterstürzend, mit voller Fahrt ins Wasser klatscht. "Die Fahrgäste werden an dieser Stelle mit dem 3,5-Fachen der Erdanziehungskraft in ihre Sitze gedrückt" , sagt Peter Bläsi. Der diplomierte Bau-Ingenieur ist einer der geschäftsführenden Gesellschafter beim Freiburger Ingenieurbüro Weiß. Und er ist begeistert von Achterbahnen.
Gemeinsam mit seinem siebenköpfigen Team, den Spezialisten für so genannte fliegende Bauten im Büro Weiß, hat Bläsi die Tragwerksplanung für den Super Splash ausgeführt. Seit Jahren arbeiten die Beratenden Ingenieure von Weiß unter anderem mit dem Waldkircher Achterbahnbauer Mack Rides zusammen. Als externe Dienstleister sorgen sie dafür, dass die Bahn den Belastungen im Dauerbetrieb standhält, aber Aufwand und Kosten im Rahmen bleiben. "Man könnte auch einen großen Damm aufschütten und die Bahn darauf fahren lassen" , sagt Bläsi, "aber unsere Aufgabe ist es, das Tragwerk möglichst effektiv zu konstruieren. Wir wollen gerade so viel Material wie nötig, aber so wenig wie möglich einsetzen." Bei der Atlantica waren es am Ende rund 200 Tonnen Stahl.
"Das ist übrigens das Grundprinzip bei allen unseren Planungen" , erklärt Martin Felber, ebenfalls Geschäftsführer und Bauingenieur mit dem Schwerpunkt Wasserbau. Die 20 Weiß-Mitarbeiter, darunter 14 Ingenieure, befassen sich außer mit Achterbahnen auch mit wasserwirtschaftlichen Bauvorhaben und anderen Tiefbauprojekten sowie mit der Tragwerksplanung für verschiedene Bauten, etwa für Brücken. Außerdem unterhält das Büro ein eigenes Labor, um die geotechnischen Eigenschaften des jeweiligen Baugrunds untersuchen zu können.
Den Auftrag zur Tragwerksplanung beim Atlantica Super Splash erhielt das Büro Weiß im Frühjahr 2004. Vom Auftraggeber Mack Rides kamen Vorgaben zur Größe und zum Verlauf der Achterbahn, die Weiß-Ingenieure sollten diese Vorgaben in eine umsetzbare Planung verwandeln. "Dazu setzen wir unsere sogenannte CAD-Software ein" , erläutert Bläsi das Vorgehen. Mit dem Rechner wird die Achterbahn samt möglichem Tragwerk erst einmal virtuell konstruiert. Dann beginnt der lange Prozess der schrittweisen Anpassungen und Verbesserungen. Bläsi: "Mit speziellen Programmen simulieren wir die Kräfte, die auf die Anlage und die einzelnen Teile des Tragwerks einwirken." Zudem werden auch die auf die Fahrgäste einwirkenden Kräfte berechnet. "In Achterbahnen sind nach unten gerichtete Beschleunigungen von höchstens dem Sechsfachen der Erdanziehung erlaubt — und auch das nur für sehr kurze Zeit."
Auf Basis der Simulationen und Berechnungen werden das Tragwerk und der Schienenverlauf immer weiter optimiert. Am Ende, wenn alle Werte stimmen, erstellen die Ingenieure die Pläne zur Umsetzung. Darin ist jedes einzelne Bauteil samt seinen genauen Eigenschaften verzeichnet. Bläsi: "Diese Planung ist unsere Hauptleistung, aber natürlich sind wir auch danach noch in Herstellung und Bau einbezogen, damit auch alles gemäß der Planung läuft."
In den Plänen steckt viel Rechenarbeit. "Gott sei Dank, haben wir heute den Computer, der uns da enorm entlastet. Früher haben die Kollegen stundenlang buchstäblich nur gerechnet." Die Rechenleistung des Computers ermögliche ganz neue Möglichkeiten beim Konstruieren — auch beim Achterbahnbau. Denn die hierfür nötigen Berechnungen haben es in sich. Für jedes relevante Bauteil muss berechnet werden, wie es sich unter Volllast verhält. Allerdings sind etwa im Falle des Super Splash jeweils fünf Boote gleichzeitig auf der Bahn unterwegs, belasten das Gesamtsystem und verkomplizieren die Berechnungen. Zudem müssen auch noch die Auswirkungen starker Winde eingerechnet werden. "Ohne PC wären solche Projekte nicht denkbar." Mit PC hat die Umsetzung ein knappes Jahr gedauert. Im März 2005 feierte der Europa-Park die Einweihung des Atlantica Super Splash.
Gefragt, was denn seine Traum-Achterbahn sei, das Achterbahn-Projekt, das er gerne noch verwirklichen würde, sagt Peter Bläsi: "Eine Achterbahn aus Holz." Nicht die Größe und nicht die Geschwindigkeit, sondern die Materialeigenschaften des für diesen Zweck heute sehr selten genutzten Baustoffs würden ihn reizen. So denkt ein Ingenieur.
Holger Schindler