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Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: So 23. Feb 2025, 14:47
von mokka
Die Reise nach Tilsit


1968 verfilmte das ZDF dieses Drama von Hermann Sudermann. Nur ein Fernsehfilm und doch großes Kino:

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Bild von mir


Ulrich Damrau war hier ebenfalls der Filmarchitekt in diesem fast zweistündigen Epos:

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Screenshot von mir


Filminfo von der DVD: "Der Film Die Teise nach Tilsit erzählt die dramatische Liebesgeschichte in einem kleinen Fischerdorf am Haff. Die mit hohem finanziellen Aufwand betriebene Produktion inszenierte 1968 Günter Gräwert nach dem Buch von Hermann Sudermann. Für die Besetzung der Hauptrollen konnten viele prominente Schauspieler wie Karl-Michael Vogler, Ruth-Maria Kubitschek, Gustav Knuth, Violetta Ferrari, Paul Dahlke, Vadim Glowna und Hans Epskamp gewonnen werden...".

In zweierlei Hinsicht dürfte Damrau diese Produktion gefallen haben. Zum einen wegen der hochkarätigen Schauspieler, wobei vor allem Ruth-Maria Kubitschek besonders heraussticht. Zum anderen weil der Film zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt und Damrau seine Vorliebe zum Jugendstil umsetzen konnte (auch im EP kreierte er später einiges im Jugendstil), so z.B. in diesem Cafe:

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Screenshot von mir


Die ersten Automobile werden bestaunt:

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Screenshot von mir


Man kann ja nicht an alles denken: In dieser Volksfest-Szene sieht man im Hintergrund ein Riesenrad mit dem Namen Otto Wittler. Er war aber erst ab 1946 als Schausteller mit einem Riesenrad unterwegs (den Betrieb gibt es auch heute noch unter dem Namen Cornelius):

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Screenshot von mir


Insgesamt eine sehr hochwertige Umsetzung eines Dramas, dass in der ersten Hälfte noch einige Längen hat, dann aber Fahrt aufnimmt und unweigerlich auf das tödliche Ende zusteuert. Erstklassig Inszeniert von Regisseur Günter Gräwert und nicht zuletzt von Ulrich Damrau. Die Erstausstrahlung war am 16. November 1969.

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: Mo 24. Feb 2025, 19:27
von Spyder1983
Es ist echt Wahnsinn, was du so alles an Informatioen über Ulrich Damrau an die Oberfläsche förderst.

Wenn der Park irgendwann mal eine Ausstellung über Damrauch machen möchte, hoffe ich, dass die Macks dann mit Dir Kontakt aufnehmen.
Das wäre in meinen Augen eine sehr tolle und vor allem gerechtfertigte Würdigung deiner Rechercheleistung.

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: Di 25. Feb 2025, 08:50
von mokka
Da werden die Macks mich nicht brauchen. Ich weiß, dass Willi Thoma eine recht umfangreiche Sammlung zu Damraus früheren Tätigkeiten angelegt hat. Ich gehe davon aus, dass der EP diese besitzt. Vermutlich ist das von mir nur ein kratzen an der Oberfläche. Aber dieses "stöbern" macht natürlich auch ein bisschen Spaß.

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: So 9. Mär 2025, 15:40
von mokka
Dresden

Damraus frühere Tätigkeiten helfen, seine Arbeit für den Europa-Park zu verstehen. Ein genauerer Blick darauf beleuchtet seine Kompetenzen. Ein besonderes Arbeitsumfeld bot sich ihm am Staatstheater in Dresden, in dem er von 1947 bis 1953 als Bühnenbildner tätig war. Seine Ausstattungen für Theater und Oper umfasste klassische Stücke wie "Götz von Berlichingen", "Romeo und Julia" und "Der Troubadour" bis hin zu modernen Stücken der DDR-Propaganda wie "Das Glockenspiel des Kreml".

Glücklicherweise können wir hier auch auf Texte von Ulrich Damrau zurückgreifen. Das Staatstheater Dresden veröffentlichte jedes Jahr nach Abschluss der Theatersaison recht umfangreiche "Jahrbücher" unter dem Titel "Gestaltung und Gestalten". In drei dieser Ausgaben kam auch Damrau zu Wort. In seinen Artikeln "Szenische Gestaltung, kritisch betrachtet" (Jahrbuch 1949/50), "Die Bühne - ein Raum" (Jahrbuch 1950/51) und "Das werkgerechte Bühnenbild" (Jahrbuch 1951/52) erklärt er, wie er die Umsetzung seiner Arbeit in ein entsprechendes Bühnenbild sieht.

"Gestaltung und Gestalten", hier die Ausgabe von 1950:
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Eigenes Bild


Die drei Artikel von Damrau:
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Eigenes Bild


Er beschreibt seine Erwartung, wie Dekoration auf den Zuschauer wirken muss: "So wird es auch niemanden einfallen, gerade in Opernaufführungen...Dekorationen zu erwarten, die der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Man wird aber mit Recht verlangen, in der Dekoration die Schwingungen der Musik zu spüren und den Anstoß zum Mitschwingen der eigenen Phantasie".
Auch seine Einstellung zur modernen Technik wird klar: "Ausnutzung der Technik und vor allem der Lichttechnik im höchsten Maße...Der Schein ist auf der Bühne entscheidender als das Sein", oder auch: "Material, Farbe, Licht können in sparsamer, aber klug abgewogener Dosierung Wunder wirken und einen Zauber ausströmen, den noch so üppig gebaute Räume...nicht zu geben in der Lage sind".
Seine Betrachtung eines zu gestaltenden Raumes: "Wie er sich dem Auge als dem Fenster der Seele öffnet, wie er das Blickfeld einengend zwingt...das Auge andere Wege zu führen als es zu gehen bereit ist, ruft seelische Stimmungen und Spannungen hervor, die oft, bevor noch ein Wort gesprochen worden ist, die ganze große Skala menschlicher Empfindungen umfassen".

Dies sind nur einige Auszüge. Wenn Damrau wollte, konnte er also auch etwas zu Papier bringen. Dennoch war dies eher die Ausnahme.

Aus seiner 6-jährigen Zeit in Dresden mit dutzenden Bühnenbildern möchte ich zwei Beispiele bringen: Das Bühnenstück "König Johann" von William Shakespeare wurde am 25. September 1950 neu inszeniert. Die Dekoration muss enorm auf die Zuschauer gewirkt haben. Die Sächsische Zeitung schrieb damals, die Aufführung war "ungeheuerlich und erschütternd" gewesen. In einem Kommentar konnte man lesen: "Die offene Bühnentiefe bewegte sich. Ich hatte das Gefühl, weggetragen zu werden...Oben zog König Johann ein. Unfaßbar, was Ulrich Damrau mit den Bühnentechnikern und Beleuchtern hier vollbrachte...Das war Historie in die Gegenwart versetzt."

Bühnenbild aus "Gestaltung und Gestalten" 1950/51 zu "König Johann". Nicht sicher ob die Skizze von Damrau ist:
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Eigenes Bild

Das zweite Beispiel ist eine mehrwöchige Gastspielreise des Dresdner Staatstheater nach Warschau im September 1951. Dort stattete Damrau die Bühnenstücke "Sonnenbrucks" von Leon Kruczkowski und "Emilia Galotti" von Ephraim Lessing aus. Die Bühnenbilder Damraus wurden vom polnischen Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert. Beide Stücke fanden unter der Regie von Martin Hellberg statt. Auch in Dresden arbeiteten die beiden sehr oft zusammen. Hellberg wurde in der DDR zu einem der bekanntesten Filmemacher und Schauspieler bis weit in die 80er Jahre hinein. Er und Ulrich Damrau wurden enge Freunde und er sollte für Damrau noch eine weitere wichtige berufliche Rolle spielen. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

"Unter Warschaus neuen Brücken" von Ulrich Damrau. Aus "Gestaltung und Gestalten" 1951/52
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Eigenes Bild

Als Fazit kann man sagen, dass die Dresdner Jahre sehr prägent für Damrau gewesen sind. Auch und vor allem wegen den hochkarätigen Mitarbeitern. Martin Hellberg habe ich genannt, Karl von Appen war ebenfalls ein hoch dekorierter Bühnenbildner. Überhaupt war das Dresdner Staatstheater eines der führenden Häuser in ganz Deutschland. Stellt sich die Frage, wie Ulrich Damrau den Sprung dorthin geschafft hat. Zwar begann Damrau bereits in den 30er Jahren mit seiner Tätigkeit bei verschiedenen Theatern, wurde aber 1941 zum Kriegsdienst eingezogen, was zeigt, dass er wohl für die Theaterwelt entbehrlich war. Fünf Jahre war er dann im Krieg und in Gefangenschaft. Vielleicht - das ist aber meine eigene Theorie - war sein erster Auftrag nach dem Krieg dafür verantwortlich:
1946 stattete er in Konstanz das Bühnenbild für "Mutter Courage" aus. Angeblich bekam er dafür den Auftrag von Bert Brecht persönlich (dafür habe ich aber keine belastbare Quelle), durchaus möglich, denn ein weiteres Bühnenbild in Konstanz war "Was ihr wollt" von Shakespeare. Und dies stattete er zusammen mit seinem großen Vorbild Caspar Neher aus. Dieser wiederum war eng mit Brecht befreundet. Vielleicht hat diese Zusammenarbeit auch das Dresdner Staatstheater überzeugt. Geschadet hat es Damrau sicherlich nicht...

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: So 9. Mär 2025, 15:43
von jens27
Vielen Dank für diesen erneuten, tollen Ausflug in die Historie um Ulrich Damrau.

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: Di 8. Apr 2025, 12:06
von mokka
Karlsruhe

Nach seiner Zeit in Dresden wechselte Ulrich Damrau für über 1 Jahr zu den Defa-Filmstudios in Berlin und sammelte erste Erfahrungen als Filmarchitekt. Aber bereits 1954 kam es zu einem Bruch und Damrau übersiedelte in den Westen. Er hatte wohl weniger Probleme damit, auch DDR und Kreml-Propaganda auf der Bühne auszustatten, sondern eher, dass selbst in solchen Stücken genaue Vorgaben der Staatsführung gemacht wurden. Er sah seine Freiheit als Künstler zu sehr eingeschränkt.

Und so kam Ulrich Damrau für die Saison 1954/55 zum Badisches Staatstheater Karlsruhe. Im Gegensatz zu seiner Zeit in Dresden, wo alle seine Bühnenbilder akribisch dokumentiert sind, habe ich für seine Karlsruher Zeit leider nur sehr lückenhaftes Material. Mit Sicherheit stattete er folgende Stücke aus:

- Der zauberhafte Gürtel (von K.H. Gies)
- Gianni Schicci (von Giacomo Puccini)
- Moral (von Ludwig Thoma)
- Der große Krug (von Alfredo Casella)
- Die schöne Lau (von Eduard Mörike)
- Die Zauberflöte (von W.A. Mozart)

Auch ein paar Bilder und Zeichnungen habe ich gefunden, alle von mir abfotografiert aus den "Bühnenblätter 1954/55" des Badisches Staatstheater Karlsruhe:

Bühnenbild von Damrau "Die Zauberflöte":
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Bühnenbild von Damrau "Moral":
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Bühnenbild von Damrau "Der zauberhafte Gürtel":
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Bühnenbildentwurf von Damrau "Der große Krug":
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Bühnenbildentwurf von Damrau "Die schöne Lau":
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Bekanntlich hatte Ulrich Damrau danach seine große Zeit in Ankara, wo er für über 7 Jahre tätig war. Anschließend zog es ihn nochmal zurück nach Karlsruhe, wo er für ein paar Jahre als freischaffender Künstler tätig war, aber leider habe ich aus dieser Zeit kein Material.

Re: Ulrich Damrau - der Baumeister des Europa-Park

Verfasst: Mo 14. Apr 2025, 21:02
von mokka
DEFA Filmstudios

Bevor Ulrich Damrau in den Westen übersiedelte, folgte er zunächst seinem Freund Martin Hellberg, der zuvor vom Staatstheater Dresden nach Potsdam zu den DEFA Filmstudios wechselte und zu einem der bekanntesten Regieseure der DDR avancierte. Zusammen arbeiteten sie an dem Kinofilm "Das kleine und das große Glück" der 1953 veröffentlicht wurde und zu einem der erfolgreichsten Kinofilme seiner Zeit in der DDR wurde. Eine Mischung aus Liebes- und Propagandafilm:

Das kleine und das große Glück.jpg
Bildquelle: https://www.imdb.com/de/title/tt0236390 ... ref_=mv_sm


Noch interessanter ist eine davor liegende Arbeit: Bereits 1952 - noch in Dresden - entwarf er das Bühnenbild für den Handpuppenfilm "Heiner Wipp". Schon damals zeigte sich sein Interesse an Neuem, denn die DEFA-Trickfilmstudios gab es zu dem Zeitpunkt noch gar nicht. Und bereits 1950 zeichnete er als Szenograph für die allererste Stabpuppeninszenierung der DDR verantwortlich. Auch solche Arbeiten zeigten, dass sein Geist nach allen Seiten hellwach und offen war.

Infoquelle: https://skd-online-collection.skd.museu ... dex/805018

Anmerkung: Nach dem Wechsel in den Westen schienen sich die Wege von Martin Hellberg und Ulrich Damrau entgültig zu trennen. Doch es sollte nochmals ein spektakuläres Wiedersehen geben. Zu Damraus 75. Geburtstag kurz nach dem Mauerfall ließ Roland Mack den einstigen Weggefährten aus der DDR einfliegen. Dieses Wiedersehen wurde auch in der Presse damals entsprechend gefeiert:
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Eigenes Bild